Symposium 21. November 2017

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Thema: „Aggression, Angst und Schmerz im Straßenverkehr“

(21. November 2017)

Veranstaltungsort: ÖAMTC Stützpunkt Erdberg,
Baumgasse 129, 1030 Wien



AGGRESSIONEN, ANGST UND SCHMERZ IM STRAßENVERKEHR

Beim Symposium der ÄKVÖ sowie des ÖAMTC wurden am 21.11.2017 die vielfältigen Fragen, die sich mit diesem Themenkreis befassen, ausführlich diskutiert.

Von den ärztlichen Experten stand natürlich die medikamentöse Therapie dieser Beschwerden im Vordergrund.

Doz. Dr. Gonano, ein anerkannter Schmerzmediziner, erörtert, dass bei Medikamenten und ihren Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit Probleme unstreitbar vorhanden sind, dass jedoch andererseits chronische Schmerzpatienten ohne eine entsprechende medikamentöse Therapie gar nicht in der Lage wären ein Fahrzeug zu lenken. Entscheidend ist die Art des Medikamentes sowie noch viel wichtiger, die Dosis. Es werden deshalb bei Schmerzpatienten viel niedrigere Dosen als bei depressiven Patienten angewandt. Außerdem muss bei diesen Patienten mit der Dosierung vorsichtig begonnen werden bis eine gewisse Eingewöhnungsphase vorliegt. In diesem instabilen Zeitraum wird den Patienten vom Lenken eines Kraftfahrzeuges abgeraten. Nach Stabilisierung der Therapie und Evaluierung der Nebenwirkungen kann dann individuell entschieden werden, ob der Patient sein Auto wieder lenken darf oder nicht. Im Allgemeinen sind jedoch gut eingestellte Schmerzpatienten sicher unterwegs.

Prof. Heinz Kuderna, Unfallchirurg, erläuterte genau, dass Schmerz nicht gleich Schmerz ist und es verschiedene Arten von Schmerzen gibt, sodass es sehr schwierig ist, den Einfluss auf die Verkehrssicherheit zu evaluieren. Der sogenannte seelische Schmerz hat mit Sicherheit Einfluss auf das Fahrverhalten, es fehlen jedoch statistisch ausgewertete Erfassungsdaten, wobei er außerdem festhielt, dass auch die Auswirkungen von Psychopharmaka nicht wirklich zureichend statistisch ausgewertet sind. Besser abgeklärt sind die Auswirkungen der somatischen Schmerzen, wobei es viele Ursachen für das Ergebnis Schmerz gibt, der doch selbst wieder ein emotionaler, also psychischer Vorgang ist und je nach Art der Persönlichkeit verschieden stark empfunden wird. Da die gesamte Schmerzreaktion jedoch stark reflektorisch gesteuert ist, können deren Bewegungsabläufe oft nicht ausreichend mit dem Intellekt gesteuert werden, wodurch es zu kommt Fahrfehlern kommen kann. Das betrifft sowohl den akuten Schmerz, z.B. nach Wespenstich, sowie auch chronische Schmerzen am Bewegungsapparat, die im Bewegungsablauf dann punktuelle Steigerungen erfahren. Für die behandelnden Notfallärzte an Unfallorten ist es sehr wichtig, die richtige Abfolge bei Behandlung von verletzten Unfallteilnehmern herauszufinden. Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass diejenigen, die hoch gefährdet sind, nicht am lautesten schreien, sondern infolge der Schmerzhemmung selbst gar nicht wahrnehmen, wie erheblich ihre Verletzung ist oder auch zum Schreien nicht mehr imstande sind, weil sie erheblich kardiorespiratorisch eingeschränkt sind. Es wird deshalb von fast allen Rettungsdiensten in der primären Untersuchung das sogenannte A-B-C-D-E-System verwendet. Durch den strukturierten Ablauf bei diesem System mit gezielter Suche nach den Schmerzen, die durch lebensgefährdende Verletzungen verursacht werden, kann eine wichtige medizinische Zuordnung der Behandelten erwirkt werden.

Nachdem immer mehr Drogenlenker bei polizeilichen Verkehrsuntersuchungen auffallen, wie Frau Dr. Fous-Zeiner aus ihrer amtsärztlichen Tätigkeit berichtet, haben die Ärzte eine große Verantwortung bei der Einsetzung von Schmerzmedikamenten, insbesondere jener, die dem Suchtmittelgesetz zuzurechnen sind. Es muss dabei immer wieder mit dämpfender Wirkung auf das ZNS geachtet werden, wodurch die Reaktionsfähigkeit oder auch die Pupillenreaktion deutlich verzögert werden können. Ein höheres Gefährdungspotenzial haben Schmerzmittel, die als Suchtgifte aufgezählt sind, z. B. Opiate, Opioide, Fentanyl usw. Wichtig ist dabei für alle behandelnden Ärzte, dass sie eine Aufklärungspflicht dem Patienten gegenüber wahrzunehmen haben und diese auch zu dokumentieren ist, da in der Anfangsphase häufig eine Fahruntüchtigkeit vorliegen wird. Dabei ist auch wichtig festzuhalten, dass auf die Einhaltung der richtigen Dosierung geachtet wird. Wird ein Autofahrer im Straßenverkehr im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung auffällig, so sind die Kriterien für den Führerscheinentzug nicht die Substanz oder die Konzentration, sondern lediglich die Zeichen der Beeinträchtigung. Dies steht im Gegensatz zur Alkoholgrenzwertverordnung. Wird ein Autofahrer auffällig, der durch ein Suchtgift beeinträchtigt ist, kommt es zu einer Geldstrafe ohne Führerscheinentzug. Wird die Beeinträchtigung durch Suchtgifte verursacht, kommt es neben einer Geldstrafe auch zu einem Führerscheinentzug für einen Monat und einer anschließenden verkehrspsychologischen und psychiatrischen Untersuchung.

Frau Mag. Margit Herle stellte in ihren Ausführungen dar, dass Verkehrsunfälle zu den häufigsten Todesursachen bei jungen Erwachsenen zählen. Viele dieser Unfälle werden daher mit aggressivem Fahrverhalten in Verbindung gebracht, wobei sich in Studien zeigt, dass Aggressionsaktivatoren durch geeignete Maßnahmen verhindert werden könnten. Aufgrund der multifaktorellen Komponenten einer Aggression ist es auch von psychologischer Seite sehr schwierig, eine statistsche Erfassung von Aggression als Unfallursache im Straßenverkehr festzuhalten.

Dr. Fritz Menzl, Verkehrsexperte, zeigte in seinem Vortrag, wie unsere Triebe vom urzeitlichen Homo sapiens bis heute natürlich auch auf das Fahrverhalten einen wesentlichen Einfluss haben. Er zeigt auch deutlich auf, dass der Mensch mit seinen Trieben als Autofahrer besonders sorgfältig umgehen muss, denn immerhin sind „motorisierte Primaten“ für etwa 1,2 Mio. Verkehrstote weltweit pro Jahr verantwortlich. Eine entsprechende Schulung und eine entsprechende Gestaltung des Fahrumfeldes sowie des Autos sind deshalb unumgänglich. Die menschlichen Urinstinkte wie Aggression, Rangordnung, Rudelverhalten etc. müssen entsprechend kanalisiert werden und die Fähigkeiten des Menschen zu Kooperation, Empathie und Altruismus in den Vordergrund gestellt werden. Damit nicht massive Konflikte in unserem Biotop STRASSE entstehen, ist es wichtig, dass Regeln und Bestimmungen zu unseren natürlichen Grundmustern synchron laufen, dass die Gestaltungsstraße wesentlich zur Unfallverhütung beitragen kann. Sehr wichtig ist auch die Gestaltung und Sinnhaftigkeit von Verkehrszeichen, die nicht im Einklang mit den Erkenntnissen der Autofahrer sind. Als Beispiel ist das Gefahrenzeichen WILDWECHSEL zu nennen, bei dem ein springender Hirsch von rechts angezeigt wird. Nach einer Untersuchung wurde festgestellt, dass 80 % aller Autofahrer danach glauben, dass der Hirsch nur von rechts kommt.

Insbesondere auf Autobahnen kommt es immer wieder zu drastischen Verringerungen des Fahrzeugabstandes, wobei die nachkommenden Fahrzeuge auf den Vordermann so dicht auffahren, dass infolge einer Bremsung des Erstfahrzeuges mit einer Massenkarambolage zu rechnen ist. Um dieses Fehlverhalten massiv bekämpfen zu können, hat die Polizei ein neues Abstandsmessgerät entwickelt, mit dem Autofahrer minutiös sowohl was Geschwindigkeit als auch Abstand zum Vordermann betrifft, überprüft werden können. Massive Verletzungen der Abstandsbestimmungen können neben hohen Geldstrafen auch zu einem zeitlich begrenzten Führerscheinentzug führen. Die Fahrzeughersteller versuchen dem Problem Aggression und Fahrfehler damit zu begegnen, dass immer mehr Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen die Fahraufgaben unterstützen oder sie auch gänzlich einnehmen und Ablenkungen vermindert werden, wie Dipl. Ing. Friedrich Eppel, ÖAMTC-Experte, berichtet. Diese Systeme sollen die Belastungen des Autofahrers durch Übernahme von Aufgaben reduzieren, dadurch auch den Stress mindern und ein großes Potenzial zur Aggressionsminderung bieten. Die Probleme liegen darin, dass diese Systeme nicht funktionieren können oder dem Fahrer Erkenntnisse vermitteln, die nicht der Fahrrealität entsprechen. Im Gesamten sind solche Systeme jedoch als sehr positiv für die Verkehrssicherheit zu bewerten, da statistisch gesehen die meisten Fehler, die zu Fahrunfällen führen, deutlich vermindert werden können. Auch das Phänomen Angst, mit dem laut Statistik 65% aller Autofahrer Probleme haben, kann dadurch minimiert werden. Angst ist aber, wenn sie nur gering ausgeprägt ist, auch wichtig für das psychologische Verhalten der Autofahrer, weil sie den Fahrer dazu bringt, sich in einem für ihn sicher erscheinenden Fahrumfeld zu bewegen und damit Aggression und Übermut gedämpft werden.

Die Kongressergebnisse zeigen abschließend folgende wesentliche Erkenntnisse:

Autofahren mit Medikamenten, auch unter Einfluss von Psychopharmaka, ist bei entsprechender Einstellung und Eingewöhnung sowie Kontrolle ungehindert möglich.

Die Medikamentendosis ist bei Schmerz im Vergleich zu psychisch erkrankten Fahrern in geringerer Dosis einzustellen.

Schmerz soll und muss behandelt werden, damit der behandelte Fahrer sicher unterwegs ist.

Technische Maßnahmen, sowohl an der Straße als auch am Fahrzeug sind wichtig, um Aggression zu vermindern.

Eine „gesunde Angst“ ist wichtig für ein normales Fahrverhalten.


Referenten

EPPEL, Friedrich, Dipl.Ing.
Stv. Leiter Technik, Test, Sicherheit Konsumentenschutz & Mitgliederinteressen
Mail: friedrich.eppel@oeamtc.at
 
FOUS-ZEINER, Patricia, Dr.in
Bundesministerium f. Inneres, Stv. Chefärztin Abteilung Medizinische u.
Gesundheitsangelegenheiten
Mail: patricia.fous-zeiner@bmi.gv.at
 
GONANO, Christopher, Doz., Dr, MSc MBA MLS
FA f. Anästhesiologie u. Intensivmedizin
Mail: info@schmerzordination.at
 
HERLE, Margit, Mag.a
Verkehrspsychologin iDrive Verkehrspsychologie GmbH & Co KG
Mail: herle@idrive.co.at
 
KUDERNA, Heinz, Doz., Dr.
FA f. Unfallchirurgie u. Allgemeinmediziner
Mail: kuderna.unfallchir.wien@aon.at
 
MENZEL, Fritz, Dr.
Verkehrs- u. Mobilitätsberater
Mail: tss-menzl@a1.net
 
SAAM, Raimund, Prof.MR, Dr.
Geschäftsführ. Präsident der ÄKVÖ
Mail: doktor@saam.at
 
SCHMITZ, Margot, Univ.Doz.in, Dr.in
FÄ f. Psychiatrie und Neurologie
Mail: ordination@schmitz.at
 
SEIDENBERGER; Marion, Mag.a
Verkehrspsychologin, ÖAMTC
Mail: marion.seidenberger@oeamtc.at
 
STIPSITS, Andreas, Oberst, BA
Abteilungsleiter Landespolizeidirektion Burgenland
Mail: andreas.stipsits02@polizei.gv.at
 
 
Begrüßung:
HERTZ, Harald, Univ.Prof., Dr. Vizepräsident des ÖAMTC
RATSCHEW, Claudius, MR, DDr.  Präsident der Ärztlichen Kraftfahrvereinigung Österreichs
 
 

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Programm

Programm Aggression, Angst und Schmerz